Leidest Du unter Gräserallergie? Dann ist die Leidenschaft von Anne Facius nichts für dich. Sie arbeitet nämlich mit Gräsern. Kunstvoll webt sie Blätter und Blüten zu wahren Meisterwerken. Wir haben der bekannten Künstlerin aus Magdeburg über die Schulter geschaut. Ob Chinaschilf oder Rutenhirsen – aus all den getrockneten Materialien entstehen Kunstobjekte, Kleidungsstücke, quasi Bio Fashion. Jedes Meisterstück ein Unikat. Es versetztet den Betrachter oft ins Staunen. Aber sieh selbst…

Die kleine Werkstatt unterm Dach
Mein erster Besuch in ihrer kleinen Werkstatt unter dem Dach war beeindruckend. Als ich die schmale Stiege erklommen hatte, kam mir würziger Heugeruch entgegen. Überall sah ich Bündel von Gräsern, Früchten und anderen Materialien auf dem Boden und in den Ecken. Ordentlich nach Längen und Farben sortiert lagen sie da. Vor einer Wand ein Webstuhl, so einer aus Holz, den man aus dem Museum kennt. Hier arbeitet Anne nun seit 28 Jahren. Mit geschickter Hand webt sie Gräser zu erstaunlichen Kunstwerken.
Wenn die Begeisterung Fahrt aufnimmt…
Wenn die 70ig Jährige von ihrer Arbeit erzählt, höre ich ihr ungemein gern zu. Ihre Augen fangen dann zu leuchten an und sie schwärmt von ihren Ideen. Mit ihren Händen gestikuliert sie lebhaft, wenn sie in Fahrt kommt. Spricht dann begeistert von einem Mantel, den sie aus rosa Miscanthus Blüten weben will und noch eine passende Kappe dazu. Sieht alles quasi vor sich und sprüht vor Begeisterung. Ich staune nur. Später werden aus ihren Visionen tatsächlich Mäntel, Perücken und Wandbehänge. Alles gewebt aus verschiedenen Gräsern, deren Blüten und Blättern. Die Farben sind so vielfältig wie die Materialien aus Rutenhirse, Chinaschilf oder Rasenschmiele. Gelb, Ocker, Violett, Rot alles ist an Farben dabei. Glatte, raue, weiche und auch breite und schmale Gräser verarbeitet sie. Bei dieser Vielfalt entstehen einzigartige Unikate.


Die Perücken sind der Renner
Vor 15 Jahren fertigte sie mal für eine Ausstellung eine Perücke aus Gräsern. Die an einen Afro-Look erinnernde “Frisur” sorgte für Furore. So folgten Kappen, Stolen und Kragen – allesamt in fellähnlicher Erscheinung. Doch die Perücken sind nach wie vor der Renner. „Am liebsten wollten alle, die ich kannte so eine besitzen“ erzählte sie. Da Anne nicht so viele herstellen konnte, zeigte sie ihr Handwerk den anderen Frauen. Insbesondere Freundinnen aus ihrem Studiengang “Studieren ab 50” . Sie vereint das Motto “Mit Freude und Freunden älter werden”. So flanieren sie nun seit einigen Jahren, natürlich mit Gräserroben und Kappen über Gartenschauen und andere besondere Park- Events. „Jeder der uns sieht, staunt nur und möchte sich mit uns fotografieren lassen“, sagt Anne begeistert und lacht fröhlich.
Schon oft habe sie Interessierten gezeigt, wie sie arbeitet. “Grasweberin, darunter können sich die wenigsten etwas vorstellen”, meint sie und führt die feinen Halme durch die senkrecht gespannten Kettfäden. Geduld und Geschick ist das, was man wohl unbedingt braucht in diesem Handwerk.










Bild unten:
… und ich durfte auch mal probieren. Aber eine Model Kariere werde ich nicht mehr einschlagen. Das war eine Modenschau während der Perenne Tagung im Sommer 2015 in den städtischen Gewächshäusern in Magdeburg. Achte auch mal auf diesen tollen Mantel, den Kerstin anhatte. Wie eine russische Zarenbraut…


Gartenfestival auf Schloss Ippenburg 2006 Märchen, Mythos und Magie
Eine gemeinsame Idee – eine fruchtbare Zusammenarbeit
Anne begegnete ich erstmals in einer kleinen Magdeburger Galerie. Dort gab es eine Vernissage und sie stellte aus. Ich war von Anfang an begeistert. Genau zu dieser Zeit hatte ich eine Anfrage. Victoria Freifrau von dem Bussche fragte meine Teilnahme zu einem temporären Garten auf Schloss Ippenburg an. Insgesamt 38 Schaugärten, sollten unter dem Motto: Märchen, Mytos und Magie gestaltet werden. Hierzu sollte sich jeder Teilnehmer etwas überlegen. So kam alles spontan… Ich hatte die Idee, einen Gräsergarten anzulegen und dann war da Anne, mit ihrer Vernissage. Später am Abend fragte ich kurz entschlossen und sie sagte Ja.
Viele Gräser bis zum fertigen Kunstwerk
So war eine Idee geboren und eine gemeinsame Arbeit besiegelt. Es sollte eine Reise in das „Reich der Gräserkönigin“ sein. Ein ehrgeiziges und besonders für Anne, aufwändiges Projekt. Große Mengen von Rutenhirse (Panicum virgatum) wurden benötigt. So fuhren wir gemeinsam nach Wahrenholz in Niedersachsen. Dort gab es Friedrich Cahmehl und seine tolle Gräsergärtnerei und natürlich konnten wir die die feinsten und erlesensten Gräser in Hülle und Fülle ernten. Wir sammelten bis das Auto bis unter das Dach befüllt war.
So hatte Anne genug Material, das nach dem Trocknen weiterverarbeitet werden konnte. Sie webte und webte den ganzen Winter bis zur Sehnenscheidentzündung. Dann war die Meisterwerke fertig – der Mantel und die Pyramide. Aus Korbweide gab es ein Gestell für den Mantel. Veredelt wurde er noch mit einer edlen handgefertigten Brosche aus Kupfer. Sie wurde von einem befreundeten Schmuckgestalter gefertigt. Auch die Pyramide bekam eine kleine Haube aus Kupferblech. Alles sah sehr royal aus.
der Garten entsteht…
Wir fuhren beide im Frühsommer nach Ippenburg und bauten auf und pflanzten die Stauden und Gräser. Nach einiger Zeit entwickelte sich der Gräsergarten prächtig und es blühte alles üppig. Nur der Gräsermantel verging nun nach und nach. Das war zu erwarten. Schließlich stand er im Freien, war Sonne, Wind und Regen ausgesetzt. Am Ende war der Gräsergarten üppig und der Mantel und die Pyramide dem Kompost nahe. Obwohl wir es natürlich wussten, tat es schon ein bisschen weh. Dennoch war die Zusammenarbeit ein schönes Erlebnis. Ja ein Highlight!








Der Mantel wurde zwar Kompost … aber es wuchsen neue kleine Pflanzen in seinen Maschen. Wenn man das so sieht … auch irgendwie tröstlich… oder?
… bleib natürlich
Deine Petra Pelz