Ein Interview mit Isabel Mischka
2021 lernte ich Isabel in Wien kennen, als ich nach den langen Lockdowns und Einschränkungen der Corona-Zeit nach Ablenkung und Kontakt zu den Menschen dieser Stadt suchte.
Ich besuchte einen Kurs zum botanischen Malen an der Volkshochschule, zunächst ganz ohne große Erwartungen. Euphorisch und inspiriert verließ ich das Gebäude an diesem ersten Abend wieder!
Isabel brachte uns Teilnehmerinnen (darunter auch einige Landschaftsarchitektinnen) mit viel Geduld und zahlreichen Tipps schrittweise bei, wie wir Pflanzen so realistisch wie möglich auf Papier bringen können. Diese Kurse bereicherten meine Zeit in Wien sehr und ich bin dankbar für diese schönen Erlebnisse.
Heute hat uns Isabel in einem kleinen Interview spannende Fragen rund um ihr Expertinnengebiet beantwortet. Lasst euch begeistern! 😊 - Eure Leonie
Isabel Mischka, 1996 in Österreich geboren, entdeckte früh ihre Leidenschaft für Kunst und Natur. Sie gewann den Burgenländischen Jugendkulturpreis den James und Eve Bennet Trust Fund Award für ihre Abschlussarbeit am Royal Botanic Garden in Edinburgh.
Isabel Mischka ist Mitglied der Society of Botanical Artists und der Wiener Schule für Botanische Kunst.
Wie kamst du zur botanischen Illustration?
Ich habe einen Bildungshintergrund in Kunst und Design, aber auch Landwirtschaft. So bin ich irgendwann über die klassischen, alten botanischen Illustrationen in Lehrbüchern gestolpert und habe mich sofort verliebt. Nach etwas Recherche habe ich herausgefunden, dass es dazu einen eigenen Beruf gibt und ab dem Moment war für mich klar, was ich machen wollte.
Ich habe die Natur schon immer geliebt und mich beim kreativen Schaffen in den kleinen Details am wohlsten gefühlt – entsprechend perfekt war das naturgetreue botanische illustrieren perfekt für mich.
Ich habe dann das 3-jährige Diplomstudium für botanische Illustration am Royal Botanic Garden Edinburgh abgeschlossen und arbeite seitdem freischaffend als botanische Illustratorin.
Foto oben links: Aconitum napellus, Isabel Mischka
Foto oben rechts: Lavandula, Isabel Mischka
Was sind die historischen Hintergründe der botanischen Zeichnung?
Die botanische Illustration gibt es schon sehr lange, sie wurde früher vor allem zur Dokumentation und Bestimmung von Heilkräutern genutzt. So konnte medizinisches Wissen weitergegeben und die Verwechselung von Pflanzen reduziert werden.
Über die Jahrhunderte war dann das botanische Illustrieren besonders auf Entdeckungsreisen sehr gefragt, wo IllustratorInnen mit an Bord der Expeditionsschiffe waren um die gefundenen Pflanzen oft direkt vor Ort festhalten zu können, da die meisten Pflanzen die langen Transportwege nur schwer überstehen konnten.
Es wurden auch IllustratorInnen für das Illustrieren der Gärten reicher Persönlichkeiten angestellt. So entstanden große Sammlungen an Darstellungen, sogenannte „gemalte Gärten“. Es war eine Möglichkeit für die AuftraggeberInnen, ihre seltenen und wertvollen Pflanzen auch außerhalb deren Blütezeit stolz herzeigen zu können.
Welche Bedeutung hat botanische Kunst heute?
Trotz der Erfindung der Fotografie ist der Beruf der botanischen Illustration immer noch relevant. In botanischen Instituten werden Pflanzen noch immer gerne händisch festgehalten, da IllustratorInnen Farbe und Form besser bewerten und festhalten können als eine Kamera, die immer beeinflussbar durch die bestehenden Lichtverhältnisse und Sichtwinkel ist.
Als IllustratorIn kann die Pflanze in den unterschiedlichsten Verhältnissen beobachtet werden, um zu einer passenden Konklusion zu Farbe und Form zu kommen. Mehrere Exemplare einer Art können verglichen und zu einem optimalen, charakteristischen Beispiel für die Pflanze in einer Illustration kombiniert werden – genau auf die Bedürfnisse der BotanikerIn abgestimmt.
Außerdem hat die botanische Illustration auch als Kunstform immer noch einen Stellenwert. Worin sie besonders brilliert, ist ihre Zugänglichkeit:
Kunst umgibt uns ein Leben lang, wir verbinden so viele Erinnerungen mit Pflanzen.
Kirschen, die wir im Garten der Großmutter gepflückt haben, unsere Lieblingsrose zuhause oder die Pflanzen in unserem Brautstrauß. Botanische Kunst vermag es diese Pflanzen festzuhalten und in Szene zu setzen. Die BetrachterInnen können botanische Kunst genießen und brauchen keine Vorkenntnisse um sie zu verstehen.
Was fasziniert dich an deinem Beruf?
Was für mich besonders faszinierend ist, ist wie sich die Art geändert hat, mit der ich durch den Alltag gehe.
Eine der wichtigsten Fähigkeiten für das botanische Illustrieren ist ein genaues und aufmerksames Sehen, etwas das heutzutage im Alltag meistens keinen Platz hat. Ich bemerke plötzlich so viele wunderschöne Dinge, an denen ich sonst einfach vorbeigegangen wäre: kleine Insekten, interessant gefärbte Blätter, ungewöhnlich welkende Blüten. Die Natur um mich herum schätze ich viel mehr wert.
So schön das Arbeiten mit Pflanzen auch ist, es ist auch eine Herausforderung: Als lebende Motive machen sie oft nicht das, was man eigentlich gerne hätte.
Pflanzen bewegen sich mehr als man denken würde, wenn man versucht sie zu zeichnen, man muss oft erfinderisch sein um sie im gewünschten Zustand festzuhalten.
Manchmal bedeutet das, sie im Kühlschrank aufzubewahren, sie festzukleben, mit Holzstäbchen zu präparieren oder mit Gummibändchen um die Knospen daran zu hindern sich zu früh zu öffnen.
Oft dauert es viele Jahre, bis eine Illustration fertiggestellt werden kann. Einmal zerstört der Frost Blüten und damit auch die folgenden Früchte, oder die über lange Zeit aus extra importierten Samen gezogenen Pflanzen werden kurz vor der ersten Blüte von Schnecken vernichtet. Man kann nie sagen, wann die Natur mitspielen wird und wann dann wieder nicht.
Gibt es Pflanzen die du am liebsten portraitierst?
Ich male sehr gerne Blätter, Herbstlaub besonders. Hier finde ich die vielen Farben, Texturen und feinen Netze aus Blattvenen faszinierend.
Überhaupt ziehen mich besonders die Pflanzen an, die nicht als klassisch dekorativ gesehen werden, und sie so in Szene so setzen, dass der Betrachter sie vielleicht zum ersten Mal in all ihrer Pracht wahrnimmt. Nutzpflanzen, „Unkräuter“, beschädigte und imperfekte Pflanzen. Wie bei Menschen sind es oft die Imperfektionen, die Pflanzen zu einem interessanten Motiv machen.
Welche Farben und Materialien nutzt du?
Ich zeichne meine Pflanzen zuerst mit Bleistift, dann werden sie mit Aquarellfarben koloriert. Das ist auch das Medium, welches in der botanischen Illustration am meisten genutzt wird. Damit können die winzigen Details und komplexen Farben am besten eingefangen werden.
Ich nutze am liebsten die Künstler-Aquarellfarben von Schmincke, Winsor & Newton und Daniel Smith und Aquarellpapier von Arches oder Fabriano. Hier ist darauf zu achten, dass es mindestens 300g/m2 hat, um gut mit der Aquarellfarbe arbeiten zu können.
Für feine Details ist ein satiniertes, also ganz glatt gepresstes Papier am angenehmsten. Bei Pinseln sind Kolinsky, also Rotmaderhaar-Pinsel am besten.
Foto oben links: Campanula rapunculoides, Isabel Mischka
Foto oben rechts: Onobrychis viciifolia, Isabel Mischka
Du gibst ja auch Kurse zum botanischen Illustrieren – was rätst du Zeichenanfänger*innen?
Ich bin der festen Meinung, dass jeder lernen kann, botanisch zu illustrieren. Wichtig sind die richtigen Materialien, unbedingt mit hochwertigen Farben, Pinseln und Papier starten, dafür aber nur ein kleines Set kaufen - Qualität über Quantität.
Und startet mit kleinen Motiven, nicht gleich in eine riesige Illu stürzen! Beginnt stattdessen mit einer kleinen Frucht oder Knospe. Zu diesem Thema gibt es viele gute Bücher und auch Online gibt es eine Menge an tollen Ressourcen, von Blogs zu YouTube.
Schreckt nicht davor zurück einen Kurs zu probieren, nach meiner Erfahrung sind die TeilnehmerInnen immer bunt gemischt, von Fortgeschrittenen zu Personen, die noch nie einen Pinsel in der Hand hatten. Jeder mit Interesse an Kunst und/oder Natur ist herzlich willkommen.
Ein Basis-Kurs hilft oft dabei, angenehmer in das Thema zu starten, allein übernimmt schnell der Frust, wenn man das Gefühl hat nicht weiterzukommen. Ich gebe Kurse für Einsteiger wie auch Fortgeschrittene an unterschiedlichen Kursorten in Österreich. Meine Termine für 2024 sind auf meiner Website zu finden: www.isabelmischka.com/workshops
Was ist dein aktuelles Arbeitsprojekt, auf welche deiner Arbeiten bist du besonders stolz?
Ich arbeite gerade an einem Projekt für eine Gruppenausstellung zum Geburtstag von Nikolaus Joseph von Jacquin, einem bekannten österreichischen Botaniker. Es werden Pflanzen illustriert, die von ihm nach Wien gebracht oder nach ihm benannt wurden.
Ich illustriere einen Fingerhut, Digitalis parviflora und es wird eine der aufwendigsten Illustrationen, die ich je gemacht habe, da sie lebensgroß gemalt wird, mit all ihren mehr als hundert kleinen Blüten.
Eines meiner Lieblingsprojekte ist die Serie welkenden Blätter auf Papier und Pergament, an welcher ich von 2021 bis 2023 gemalt habe. Ich habe es sehr genossen die Persönlichkeit jedes einzelnen dieser Blätter festzuhalten und kann mir gut vorstellen, die Reihe in der Zukunft weiter zu erweitern.
Fotos oben: Blätter-Serie (Fragaria, Rubus, Acer) , Isabel Mischka
Liebe Isabel, wir danken dir herzlich für diesen kleinen Einblick in deine Arbeit! Wir sind fasziniert und beflügelt und vielleicht schauen ja ein paar unserer Leser*innen mal bei einem deiner Kurse in Österreich vorbei! :-)
Mehr über Isabel könnt ihr auf ihrer Webseite nachlesen, ja sogar ein paar ihrer Illustrationen sind dort zu erwerben:
Oder ihr folgt Isabel auf Instagram.
Bleibt wie immer natürlich
Leonie
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